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Ohnmacht & Hoffnung

Gedanken von Susanna Maeder; Ausbildungsleiterin Fachschule für Rituale & Gesangspädagogin


In dieser aufgewühlten Zeit auf dieser Erde fühle ich sehr oft das Gefühl von Ohnmacht. All das viele Leid von Menschen und Tieren trifft mich immer wieder bis ins Innerste.  Es ist ein kollektiver Schmerz und das Gefühl, nichts zur Linderung beitragen zu können. Ebenso kenne ich das Gefühl der persönlichen Ohnmacht seit 13 Jahren bestens, als Mutter einer schwer psychisch erkrankten Tochter. Sie war und ist eine grosse Lebensschule für mich. 


Ich habe in all den Jahren gelernt, mich diesem schwierigen Gefühl zu öffnen, es anzunehmen und es in mir zu erforschen. Diese bewusste Gefühls-Arbeit ist eine Möglichkeit, unseren inneren Raum, unser «inneres Gefäss» zu vertiefen und zu entwickeln. Mit jedem Gefühl kann dies praktiziert werden. Bei dem Gefühl der Ohnmacht ist interessant, dass sie mich zu einer noch tieferen Hingabe führt. Und von der Hingabe in ein noch tieferes Vertrauen ins „Geheimnis Leben“. Und von diesem Vertrauen in ein noch tieferes Fallen- und Loslassen. 


Ein Loslassen von all meinen Vorstellungen, wie etwas zu sein hätte. Und dieses Loslassen führt mich in eine noch grössere Freiheit von mir selbst hinein. Eine wirklich eindrückliche Kette von Gefühlen und Empfindungen. Darin finde ich immer wieder das grosse JA zum Leben. Einfach so, wie es sich zeigt. Mal ekstatisch-schön und manchmal abgründig-schmerzhaft. Ebenso alles dazwischen. Einfach ein Ja zum ganzen Mensch-Sein.


Bruder David Steindl Rast hat in einer „Sternstunde Religion“ über die Hoffnung gesprochen. Er hat Hoffnung definiert als eine „Offenheit für Überraschungen“. Dies hat mir sehr gefallen. Es ist kein Erwarten von etwas Besserem oder das Ablehnen von etwas Schlechterem, sondern mit einem weiten, offenen Geist verbunden zu sein, der schlicht weiss, dass das Leben magisch ist und wir angesichts der grösseren Dimensionen eigentlich nichts wissen. Wir sind einfach offen für Überraschungen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an den Song „we know nothing“, den ich gemeinsam mit Thom Feuz letztes Jahr herausgegeben habe. Vielleicht magst du ihn dir anhören. 


Etwas was ich seit Jahren tue und meinen Beitrag ans Kollektiv ist: ich widme jeden Singanlass und jedes Ritual am Ende „allen fühlenden Wesen“. Wir lassen den Segen über die Raumgrenzen hinaus fliessen. Dies im Bewusstsein, dass wir mit allem verbunden sind und dass wir so unglaublich privilegiert sind, hier leben zu dürfen. Wir speisen die Erfahrungen ins „grosse Gewebe des Lebens“, und nähren das Netz der Verbundenheit. Manchmal erscheint mir dieser Akt ganz unbedeutend und klein. Doch oft spüre ich einen Zauber, ja gar „eine Wucht“, wenn der Segen darüber hinaus fliesst. 


Herzlichen Dank an alle, die ebenfalls solche „Felder“ gestalten, halten und weiterfliessen lassen. Dies lässt uns bei aller Ohnmacht immer wieder einen Samen der Hoffnung und Verbundenheit säen.

 

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